Matthias Lilienthal wird ab der Spielzeit 2026/2027 neuer Intendant der Berliner Volksbühne. Dies gab Berlins Kultursenator Joe Chialo bekannt. Lilienthal tritt die Nachfolge von René Pollesch an, der 2024 verstarb. Der erfahrene Theatermacher kehrt damit an einen Ort zurück, an dem er bereits in den 90er Jahren unter Intendant Frank Castorf als Chefdramaturg tätig war. Lilienthal bringt umfangreiche Erfahrungen aus seiner Zeit als Intendant des Hebbel am Ufer (HAU) und der Münchner Kammerspiele mit.
Angedeutet wird, dass Lilienthal eine internationale Ausrichtung für die Volksbühne anstrebt. Sein Ziel ist es, die Bühne zu einem Ort des internationalen Theaters zu entwickeln, wobei er plant, 95 Prozent der Regisseur:innen international zu besetzen. Unterstützung erhält er dabei von den künstlerischen Beraterinnen Florentina Holzinger und Marlene Monteiro Freitas, die beide mit starken künstlerischen Referenzen aufwarten.
Künstlerische Strategien und Herausforderungen
Kritische Stimmen weisen jedoch darauf hin, dass Lilienthal nicht die angestrebte junge, weibliche und diverse Leitung präsentiert. Zudem hatte er 2017 Chris Dercon empfohlen, der für die Volksbühne vorgesehen war, jedoch scheiterte. Holzinger, die sich ursprünglich um die Intendanz beworben hatte, zog ihre Bewerbung zurück. Dennoch betont Lilienthal die Wichtigkeit, die Tanzsparte der Volksbühne zu verstärken, auch wenn diese nicht mehr als ein Drittel des Programms ausmachen soll. Diese Ambitionen stehen im Kontext der aktuellen finanziellen Herausforderungen, denn die Volksbühne muss in diesem Jahr zwei Millionen Euro einsparen.
Die Sparmaßnahmen haben bereits zu einem Rückzug von Produktionen für 2025 geführt. In einem Interview äußerte Lilienthal sein Unbehagen über diese Einsparungen und strebt nach Lösungen, um die künstlerische Integrität der Volksbühne zu wahren. Kritiker des Theatersystems weisen ebenfalls auf die Probleme bei Wechseln der Intendanz hin: Künstlerisch Beschäftigte wurden in anderen Häusern, wie am Theater Regensburg, nicht mehr verlängert, was eine landesweite Diskussion über die Rolle und Verantwortung neuer Intendant:innen entfacht hat.
Diese Problematik wurde kürzlich bei einer bundesweiten Ensembleversammlung thematisiert. In einem offenen Brief forderte das Ensemble Regensburg eine Reform der Regelungen zu Nichtverlängerungen von Verträgen und ein Ende der respektlosen Kommunikation. Das ensemble-netzwerk hat sich zur Aufgabe gemacht, die künstlerischen Beschäftigten bei ihren Forderungen nach sozialer Verantwortung und Unterstützung zu stärken.
Dennoch wird Lilienthal als „Super-Profi“ angesehen, der in der aktuellen Krise der Volksbühne eine solide Wahl darstellt. Seine bisherigen Erfolge und sein experimenteller Ansatz im Theater lassen hoffen, dass er neue Impulse setzen wird, um die Volksbühne neu zu beleben und auf internationaler Ebene zu positionieren.