In der Türkei spitzt sich die politische Lage erneut zu, insbesondere für Oppositionsführer. Ekrem Imamoglu, der Istanbuler Oberbürgermeister und angesehene Politiker der Republikanischen Volkspartei (CHP), sieht sich einer neuen Ermittlung durch die türkische Staatsanwaltschaft gegenüber. Die Ermittlungen wurden inmitten seiner scharfen Kritik an der Justiz eingeleitet, die er für parteiisch hält. Imamoglu stellte in seiner Rede fest, dass immer derselbe Gutachter in Verfahren gegen Oppositionspolitiker eingesetzt werde, obwohl es in Istanbul fast 9.000 Sachverständige gebe. Dies erweckt den Verdacht, dass die Justiz gezielt gegen ihn vorgeht. Zudem wird Imamoglu verdächtigt, versucht zu haben, die Justiz zu beeinflussen, was er vehement zurückweist und als Teil einer breiteren Kampagne der politischen Verfolgung deutet. Tagesspiegel berichtet, dass er bereits mehreren rechtlichen Verfahren gegenübersteht, die ihm im schlimmsten Fall ein Politikverbot einbringen könnten.
Heute trat Imamoglu vor Gericht auf und wies alle Vorwürfe entschieden zurück. Er argumentierte, dass es unmöglich sei, solch eine Beeinflussung zu praktizieren. Draußen unterstützten Hunderte von Menschen den Bürgermeister. Diese rechtlichen Herausforderungen sind Teil eines umfassenderen Trends unter der Regierung von Präsident Recep Tayyip Erdogan, der seine Macht durch ein Präsidialsystem, das er mit einer schrittweisen Reform seit 2019 eingeführt hat, weiter festigt. Experten wie Howard Eissenstat stellen fest, dass Erdogans Autokracie keine Pause mache und die Repression vieler Gründe diene, unter anderem zur Ablenkung von Problemen innerhalb der Regierung. AOL hebt hervor, dass unter Erdogans Herrschaft die Unabhängigkeit der Justiz stark erodiert ist, was die Position der Opposition ernsthaft gefährdet.
Repressionswelle gegen die Opposition
Die Situation wird noch komplizierter durch die Ermittlungen gegen andere Oppositioneller wie Mannatur Yavas, dem CHP-Bürgermeister von Ankara, der ebenfalls in den Fokus der Staatsanwaltschaft geraten ist. Beide Politiker gelten als ernstzunehmende Herausforderer Erdogans bei der nächsten Präsidentschaftswahl. Kritiker wie Oppositionsführer Özgür Özel werfen der Regierung vor, die Justiz zu instrumentalisieren, um politisch motivierte Verfolgung durchzuführen. Der Istanbuler Oberstaatsanwalt Akin Gürlek wurde von Özel als „mobile Guillotine“ bezeichnet, was die Wut auf die Ungerechtigkeiten verdeutlicht, die die Opposition erleben muss. Imamoglu bemerkte zudem, dass die Justiz versuche, bereits jetzt die Wahl von 2028 im Sinne der Regierung zu beeinflussen. Tagesspiegel beschreibt auch, dass gewählte Bürgermeister der kurdischen DEM-Partei in Siirt abgesetzt wurden und durch Zwangsverwalter ersetzt werden.
Zusätzlich gibt es Berichte über politische Verhaftungen, unter anderem von einer bekannten Schauspielerin, die in Verbindung mit den Gezi-Protesten von 2013 gebracht wurde. Diese Verhaftungen und die damit einhergehende Verfolgung von kulturellen sowie politischen oppositionellen Stimmen verdeutlichen den zunehmend repressiven Kurs der türkischen Regierung. Tagesschau erinnert daran, wie Erdogans Präsidialsystem die Gewaltenteilung in der Türkei einschränkt, da er sowohl Präsident als auch Regierungschef ist und große Teile der Justiz kontrolliert. Gerade in einem solchen politischen Klima ist die Bedeutung der bevorstehenden Wahlen und die Rolle der Opposition von zentraler Bedeutung für die Zukunft der türkischen Demokratie.