Der Beratungsbedarf im Bereich Rechtsextremismus und Rassismus hat in Hessen stark zugenommen. Im Jahr 2024 registrierte das Demokratiezentrum Hessen insgesamt 330 Beratungsfälle sowie 215 Bildungsangebote, was einen Anstieg im Vergleich zu 307 Beratungsfällen im Vorjahr bedeutet. Reiner Becker, der Leiter des Demokratiezentrums, verwies auf das anhaltende Bedrohungspotenzial, das durch extremistische Akteure ausgeht. Innenstaatssekretär Martin Rößler betonte bei einem Besuch in Marburg die Bedeutung der Zuwendung von 3,4 Millionen Euro, die aus Bundes- und Landesmitteln bereitgestellt wurde, um diesen Herausforderungen zu begegnen.

Rößler macht deutlich, dass der Druck auf die demokratische Grundordnung durch extremistische Strömungen nicht unterschätzt werden darf. Das Demokratiezentrum Hessen fungiert als Fach-, Koordinierungs- und Geschäftsstelle des Beratungsnetzwerks Hessen und bietet Unbürokratische Beratung in Konfliktsituationen mit rechtsextremistischem, rassistischem oder antisemitischem Hintergrund an, um betroffenen Personen Hilfe zu leisten und das soziale Klima zu verbessern.

Verändertes Erscheinungsbild des Rechtsextremismus

Die Anzeichen für rechtsextreme Positionen haben sich laut dem Beratungsnetzwerk Hessen in den letzten Jahren erheblich verändert. Rechtsextremismus wird nicht länger nur mit gewaltbereiten Neonazis oder „Ewiggestrigen“ verbunden. Stattdessen wirken die Betroffenen oft wie freundliche Nachbarn, die sich in der Gemeinde engagieren, sei es durch das Organisieren von Kinderfesten oder musikalische Aktivitäten für Jugendliche. Dieses Phänomen zeigt, dass Rechtsextremismus mittlerweile in der „Mitte der Gesellschaft“ angekommen ist und die Verbreitung über Internet und soziale Medien erfolgt.

Generell ist zu beobachten, dass die Codes und Erkennungszeichen des Rechtsextremismus oft nicht auf den ersten Blick erkennbar sind. Dies trägt zur Verharmlosung und zum schleichenden Einfluss extremistischer Überzeugungen bei, die sich in verschiedene gesellschaftliche Bereiche eingliedern.

Zahlen und Fakten zum Rechtsextremismus

Die Situation in Deutschland wird durch alarmierende statistische Daten untermauert. Laut dem Verfassungsschutz betrug das Personenpotenzial der gewaltorientierten Rechtsextremisten im Jahr 2023 etwa 14.500, was einen Anstieg im Vergleich zu den Vorjahren darstellt. Die Gesamtzahl des rechtsextremistischen Personenpotenzials belief sich auf 40.600 Personen, ein Anstieg um 1.800 Personen im Vergleich zum Vorjahr. Außerdem wurden im Jahr 2023 insgesamt 25.660 rechtsextremistische Straftaten registriert, was einem Anstieg von 22,4 % im Vergleich zu 2022 entspricht.

Besonders besorgniserregend ist der Anstieg der rechtsextremistischen Gewalttaten, mit 1.148 Vorfällen im Jahr 2023, was einem Anstieg von 13 % im Vergleich zum Vorjahr entspricht. Zudem stieg die Zahl der körperverletzungsdelikte mit fremdenfeindlichem Hintergrund auf 874, ein Anstieg um 16,4 %. Auch die fremdenfeindlichen Gewalttaten nahmen zu und erreichten mit 933 Delikten einen Anstieg um 17,2 %.

Die zunehmende Bedeutung der Themen Migration und Asyl für Rechtsextremisten ist ebenfalls nicht zu ignorieren. Damit einhergehend gab es im Jahr 2023 einen Höchststand an rechtsextremistischen Demonstrationen mit 367 Veranstaltungen, ein Zuwachs im Vergleich zu 145 im Jahr 2022. In diesem Kontext gewinnt die Arbeit der Beratungsstellen und des Demokratiezentrums Hessen an Relevanz, um den Herausforderungen des Rechtsextremismus entschieden entgegenzutreten.