In Erfurt wird seit geraumer Zeit über schwerwiegende Vorwürfe gegen den ehemaligen Intendanten Guy Montavon und andere Mitarbeiter des Theaters diskutiert. Diese drehen sich um Machtmissbrauch und sexualisierte Gewalt, die wie ein Schatten über der Kulturszene in der Stadt liegen. Ein externes Gutachten, das von einer Kanzlei im Auftrag der Stadt Erfurt erstellt wurde, belegt spezifische Verstöße, jedoch bleibt das Gutachten weitestgehend unter Verschluss. Bisher haben nur wenige Stadträte Einsicht in die Ergebnisse erhalten, und die Stadtverwaltung hat versprochen, einen Teil der Informationen der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, was bislang nicht geschehen ist. Montavon selbst erhielt als einer der ersten Einsicht in das Gutachten.

Im Jahr 2023 wurden die Kündigungen von Montavon durch den Stadtrat Erfurt genehmigt. Interessanterweise beziehen sich die Kündigungsgründe nicht direkt auf die ursprünglichen Vorwürfe. Vielmehr wird ihm vorgeworfen, private Leistungen der Theaterwerkstätten in Anspruch genommen zu haben. Trotz dieser Vorwürfe wehrt sich Montavon gerichtlich gegen seine Entlassung, doch ein Verhandlungstermin steht noch nicht fest. Zudem wurde Angela Klepp-Pallas, die ehemalige Verwaltungschefin des Theaters, abberufen und versetzt.

Politische und gesellschaftliche Reaktionen

Die Stadt Erfurt hat bereits eine Rücklage von 1,5 Millionen Euro für mögliche Nachzahlungen an Montavon und Klepp-Pallas eingeplant. Diese Situation hat eine Debatte über die mangelhafte öffentliche Aufarbeitung der Vorwürfe angestoßen. Die Stadträtin Tina Morgenroth von der Fraktion Mehrwertstadt äußerte Kritik über die unzureichende Aufklärung der Vorwürfe sowie die empfundene Ungerechtigkeit in der Bevölkerung. Ihre Kollegin Laura Wahl von den Grünen fordert eine Diskussion auf Landesebene und hat den Vorschlag eines Untersuchungsausschusses in den Raum geworfen.

Wahl, die zudem eine Überarbeitung des Gleichstellungsgesetzes in Thüringen verlangt, äußerte sich zur Ungleichbehandlung zwischen Montavon und Mary-Ellen Witzmann, der ehemaligen Gleichstellungsbeauftragten, die ähnliche Vorwürfe öffentlich gemacht hat und sich seit ihrer Entlassung im Herbst 2023 in einem juristischen Streit mit der Stadt befindet. Auch Witzmanns Situation wirft kritische Fragen zur Transparenz und Gerechtigkeit in den Abläufen innerhalb der Stadtverwaltung auf.

Studien und Maßnahmen gegen Machtmissbrauch

Ähnliche Themen werden auch an anderen Bildungseinrichtungen untersucht. So präsentierte das Institut für Praxisforschung und Projektberatung München (IPP) am 18. April 2024 die Ergebnisse einer umfassenden Studie zur Problematik von Machtmissbrauch, Diskriminierung und sexualisierter Gewalt an der Hochschule für Musik und Theater München (HMTM). Diese Studie, die im Februar 2023 in Auftrag gegeben wurde, stellt die erste umfassende Erhebung zu diesen Themen an einer deutschen Musikhochschule dar. Ziel der HMTM ist es, Transparenz zu schaffen und Präventionsmaßnahmen zu ergreifen.

Die wesentlichen Erkenntnisse der Studie zeigen, dass Machtmissbrauch ein zentrales Problem darstellt und dass sowohl strukturelle Diskriminierung als auch sexualisierte Gewalt an der Hochschule weiterhin gravierende Themen sind. Eine besondere Relevanz gewinnt die Arbeit von Prof. Lydia Grün, Präsidentin der HMTM, die einen sieben Punkte umfassenden Plan angekündigt hat. Dieser soll unter anderem die Verantwortung und interne Kommunikationsstrukturen an der Hochschule verbessern.

Empfehlungen zur Prävention an Hochschulen

Ein weiteres wichtiges Dokument, das sich mit diesen Themen auseinandersetzt, ist die Handreichung „Sexualisierter Belästigung, Gewalt und Machtmissbrauch an Hochschulen entgegenwirken“. In dieser Arbeit werden theoretische Perspektiven, rechtliche Rahmenbedingungen und praxisorientierte Handlungsansätze zur Überwindung von Sexismus und Machtmissbrauch behandelt. Die Verfasser bieten Empfehlungen zum Umgang mit sexualisierter Belästigung und Gewalt an Hochschulen, was zeigt, dass die Problematik nicht nur in Erfurt, sondern bundesweit von Bedeutung ist.

In Anbetracht der schwerwiegenden Vorwürfe und der politischen Diskussionen zeigt sich, dass sowohl die Stadt Erfurt als auch Bildungsinstitutionen wie die HMTM sich intensiv mit den Herausforderungen von Machtmissbrauch und sexualisierter Gewalt auseinandersetzen müssen, um ein sicheres und gerechtes Umfeld für alle Beteiligten zu schaffen.