Die Forschung zu Multipler Sklerose (MS), einer chronischen Autoimmunerkrankung des Zentralnervensystems, hat in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen. Eine aktuellen Studie unter der Leitung von Professor Dr. Stefanie Kürten vom Universitätsklinikum Bonn legt nahe, dass Kuhmilch möglicherweise das Risiko für die Erkrankung erhöhen könnte. Kürten betont, dass es eine enge Verbindung zwischen dem Darmmikrobiom und dem Zentralnervensystem gibt. Schon seit 2011 wird vermutet, dass das Darmmikrobiom eine zentrale Rolle bei MS spielt, was durch Experimente mit keimfrei aufgezogenen Mäusen gestützt wird, die keine MS-ähnlichen Erkrankungen entwickelten, solange sie nicht mit Mikroben besiedelt wurden. Diese Erkenntnisse wurden in einer Studie, die in der Fachzeitschrift „Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America“ veröffentlicht wurde, zusammengefasst.
Ein besorgniserregendes Ergebnis der Forschung zeigt, dass Länder mit hohem Milchkonsum eine höhere Prävalenz von MS aufweisen. Epidemiologische Daten untermauern die Hypothese, dass Kuhmilchprodukte die Symptome bei MS-Patienten verschlimmern können. Viele Betroffene berichten von einer Verschlechterung während oder nach dem Konsum von Kuhmilch.
Die Rolle des Mikrobioms und die Auswirkungen von Milch
Die Studie von Kürten und ihrem Team untersuchte insbesondere die Auswirkungen von Milchproteinen wie Casein und β-Lactoglobulin. Mäuse, die mit Casein immunisiert wurden, entwickelten Antikörper, die ins Rückenmark eindrangen und Schäden verursachten. Dies deutet darauf hin, dass eine immunologische Reaktion gegen diese Proteine möglicherweise die Myelinschicht der Nervenzellen destabilisieren kann. Bei MS-Patienten wurden höhere Anti-Casein-Antikörpertiter festgestellt, was auf eine allergische Reaktion hinweisen könnte, während vegane Alternativen keine solchen Reaktionen hervorriefen.
Außerdem zeigte sich, dass eine gestörte Darmflora, auch Dysbiose genannt, die Darmbarriere schädigen und Entzündungen auslösen könnte. Diese Entzündungen könnten durch Enzephalitogene T-Zellen aus dem Darm verstärkt werden, die ins Gehirn gelangen. Bei MS-Patienten ist oft eine Dysbiose im Darmmikrobiom festzustellen, die in der Regel durch einen Mangel an entzündungshemmenden Bakterien und eine Zunahme entzündungsfördernder Bakterien charakterisiert ist.
Ernährungsgewohnheiten und deren Einfluss
Das Ernährungsverhalten hat erheblichen Einfluss auf die Diversität des Mikrobioms. Eine Ernährung, die reich an Fleisch und verarbeiteten Lebensmitteln ist, reduziert die Diversität des Mikrobioms, während eine pflanzenbasierte Ernährung, die reich an Ballaststoffen und Gemüse ist, die gesunde Mikrobiota fördert. Ein gesundes Mikrobiom spielt eine wesentliche Rolle bei der Verdauung, der Aufrechterhaltung der Barriere zwischen Darm und Blut und sogar bei der Funktion des Gehirns.
Die aktuelle Forschung legt den Schluss nahe, dass eine milchfreie Ernährung möglicherweise einen positiven Einfluss auf den Krankheitsverlauf bei einigen MS-Patienten haben könnte, insbesondere bei denen, die allergisch auf Casein reagieren. In Zukunft sind weitere Untersuchungen erforderlich, um die Rolle anderer Milchbestandteile und deren potenzielle Wirkung auf MS genauer zu bestimmen. Letztlich könnten sowohl genetische als auch umweltbedingte Faktoren entscheidend sein und sollten in weiteren Studien berücksichtigt werden.