Forschungen der letzten Jahre haben das Verständnis über die Beziehung zwischen frühen Menschen und der Tierwelt, insbesondere aasfressenden Arten, grundlegend verändert. Ein Team des Senckenberg Centre for Human Evolution and Palaeoenvironment an der Universität Tübingen hat in einer aktuellen Studie die Dynamik dieser Beziehungen zwischen 130.000 und 20.000 Jahren untersucht. Die Ergebnisse zeigen, dass Menschen vor 45.000 bis 29.000 Jahren einen erheblichen Einfluss auf die Verfügbarkeit von Aas und die Populationen verschiedener Aasfresser hatten. Laut uni-tuebingen.de verteilten sich die Effekte ungleichmäßig über große und kleine Aasfresser. Während kleinere Kulturfolger wie Füchse und spezialisierte Vogelarten von der menschlichen Anwesenheit profitierten, wurden die großen Aasfresser wie Hyänen und Höhlenlöwen tendenziell verdrängt.
Die Forscher Dr. Chris Baumann, Dr. Andrew W. Kandel und Dr. Shumon T. Hussain haben für ihre Analyse die umfangreiche Datenbank ROAD genutzt, die Funddaten aus 2.400 prähistorischen Stätten in Europa, Afrika und Asien enthält. Die Annahme, dass frühe Menschen mehr Tiere erlegten, als sie selbst verzehrten, führt zu der Hypothese, dass dies die Verfügbarkeit für andere Aasfresser erhöhte. Ein besonderes Augenmerk lag auf einer Phase, in der zwischen 130.000 und 60.000 Jahren die Beziehung von Menschen und Aasfressern weniger durch Konkurrenz, sondern mehr durch symbiotische Elemente geprägt war. Menschen schützten ihre Siedlungen vor großen Räubern, während kleinere Aasfresser, die oft als „Schmarotzer“ bezeichnet werden, toleriert wurden.
Einfluss auf ökologische Systeme
Die studie weist auf die wichtige Rolle hin, die Menschen in prähistorischen Ökosystemen spielten. Diese Dynamik könnte auch in Verbindung mit dem Erscheinen der ersten Homo sapiens-Populationen in Europa und der gleichzeitigen Verdrängung der Neandertaler stehen. Der Einfluss der Menschen auf die Aasfresser hatte nicht nur Auswirkungen auf die Tierwelt, sondern auch auf ihre eigene Nahrungsversorgung. Die dort veröffentlichten Ergebnisse unterstreichen das komplexe Beziehungsgeflecht zwischen frühen Menschen und ihrer Umwelt. Die Publikation in der Fachzeitschrift Quaternary Science Reviews öffnet neue Perspektiven auf das Verhältnis zwischen Menschen und Tieren in der Steinzeit.
Zusätzlich zu den Ergebnissen aus Tübingen deckt eine separate Studie des Centro Nacional de Investigación sobre la Evolución Humana (CENIEH) unter der Leitung von Jesús Rodríguez auf, dass schon vor 1,4 Millionen Jahren die Anpassungen der ersten Menschen an lokale Ökosysteme von Bedeutung waren. Diese Studie untersucht, was frühe Homininen aßen und ob dies durch Jagd oder Aasfressen geschah. Es wird diskutiert, wie die Interaktionen mit großen Fleischfressern wie Säbelzahnkatzen die Nahrungsaufnahme der frühen Menschen beeinflussten. Simulationen zeigen, dass Säbelzahnkatzen oft Reste hinterließen, die von Homininen genutzt werden konnten, was jedoch durch Konkurrenz mit großen Hyänen erschwert sein könnte.
Der Mensch als Fleischesser
Der strategische Einsatz von Aasfressern und die Nahrungsaufnahme der frühen Menschen werfen Fragen auf, die auch die Natur des Menschen als Fleischesser betreffen. Archäologische Erkenntnisse zeigen, dass der Mensch anatomisch und physiologisch sowohl Merkmale von Pflanzenfressern, wie etwa einen entsprechend strukturierten Verdauungstrakt, als auch einige Anpassungen für die Fleischaufnahme aufweist. Diskutiert wird, ob das Überangebot an Aas, begünstigt durch das Jagen, nahrhafte Rückstände hinterließ, die für die Entwicklung des menschlichen Großhirns entscheidend waren. Laut geo.de könnten unsere heutige fleischreiche Ernährung und die damit verbundenen gesundheitlichen Folgen darauf zurückzuführen sein, dass wir uns in der Steinzeit hauptsächlich von Fleisch wildlebender Tiere ernährten, während der moderne Lebensstil den Körper nur unzureichend auf energiereiche Nahrung vorbereitet.
Die Gesamtbetrachtung dieser Forschungsergebnisse lenkt den Blick auf die Komplexität der Anpassung des Menschen an seine Umwelt und zeigt, dass die Beziehung zwischen Menschen und Tieren über Jahrtausende hinweg von entscheidender Bedeutung für die menschliche Evolution war.