Am vergangenen Wochenende fanden in Berlin mehrere Nahost-Kundgebungen statt, die auch nach Inkrafttreten einer Waffenruhe zwischen Israel und der Hamas stattfanden. Bei einer propalästinensischen Versammlung in Berlin-Neukölln kam es zu eskalierenden Situationen, bei denen insgesamt zwölf Personen festgenommen wurden. Teilnehmer der Versammlung riefen verbotene antisemitische Parolen und zündeten Pyrotechnik, was die Polizei zu einem entschlossenen Eingreifen veranlasste. Die Stimmung vor Ort war phasenweise angespannt, und mehrere Medienvertreter wurden in ihrer Berichterstattung behindert und beleidigt. Die Versammlung wurde kurz vor 20:00 Uhr vorzeitig von der Versammlungsleiterin beendet.
Parallel dazu protestierten an verschiedenen Orten mehrere Hundert Menschen gegen Waffenlieferungen an Israel und solidarisierten sich mit dem Gazastreifen. Auch bei diesen Kundgebungen kam es zu ähnlichen Vorfällen, wie dem Abbrennen von Pyrotechnik und dem Werfen von Flaschen in Richtung der Polizeikräfte. Einige der Teilnehmer wurden vorübergehend festgenommen, während kleinere Demonstrationen zum Nahostkonflikt weitgehend ohne Zwischenfälle verliefen. Am Hermannplatz wurden mehrere Personen des Platzes verwiesen, wobei teils Zwang eingesetzt werden musste, um die Situation zu deeskalieren.
Antisemitismus und gesellschaftliche Spannungen
Die Vorfälle bei diesen Demonstrationen stehen im Kontext eines besorgniserregenden Anstiegs des israelbezogenen Antisemitismus, wie der Religionsmonitor 2023 zeigt. Demnach stimmen 43 Prozent der Bevölkerung der Aussage zu, dass die Behandlung der Palästinenser durch Israel mit den Verbrechen der Nazis vergleichbar sei. Diese Meinung ist dabei nicht nur im rechtsextremen Spektrum verbreitet, sondern auch unter Anhängern von etablierten politischen Parteien wie CDU/CSU, SPD, FDP und Linken zu finden. Die Anteile schwanken zwischen 43 und 54 Prozent, während Anhänger von Bündnis 90/Die Grünen seltener ähnliches äußern.
Experten warnen, dass Israelkritik nicht automatisch antisemitisch ist, jedoch oft unbewusst antisemitische Dimensionen übernommen werden. Vorurteile können als Einfallstor für antisemitische Ideologien fungieren. Besonders unter zugewanderten Personen, die in Ländern aufgewachsen sind, die weniger sensibilisiert für den Holocaust sind, sind israelbezogene antisemitische Einstellungen stärker ausgeprägt. Aktuelle Entwicklungen verdeutlichen die Notwendigkeit frühzeitiger Bildungsangebote, die Wissen und Urteilsfähigkeit fördern sollen, um Brücken zwischen verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen zu bauen.