Am 18. Januar 2025 startete das Kulturhauptstadtprogramm in Chemnitz unter angespannten gesellschaftlichen Bedingungen. Rund 1000 Menschen protestierten gegen eine Demonstration der rechtsextremen Gruppierung „Freie Sachsen“, an der etwa 400 Personen teilnahmen, so die Polizei. Diese Demonstration wurde durch Pyrotechnik und ausländerfeindliche Gesänge begleitet, was Ermittlungen wegen Volksverhetzung zur Folge hatte. Ein Jugendlicher, der verdächtigt wird, Pyrotechnik auf einen Polizisten geworfen zu haben, steht im Verdacht, diesen mit einem Knalltrauma verletzt zu haben. Die Polizei juristisch gegen ihn wegen gefährlicher Körperverletzung vor.
In der Stadt, die bereits seit Jahren von einem ansteigenden Rechtsextremismus geprägt ist, wird eine Gegenversammlung unter dem Motto „Für ein demokratisches Europa! Für ein demokratisches Chemnitz!“ organisiert. Mehrere hundert Teilnehmer blockierten die Aufzugstrecke der Freien Sachsen, was zu einer Routenänderung führte. Obwohl diese Versammlung friedlich verlief, setzte die Polizei unmittelbaren Zwang ein, um einen weiteren Zugang zum Aufzug zu verhindern.
Rechtsextremismus in Chemnitz
Chemnitz hat eine bewegte Geschichte im Kontext von Rechtsextremismus, die mit einem tödlichen Messerangriff im Spätsommer 2018 begann. Der Mord an einem Deutsch-Kubaner führte zu massiven Neonazi-Demonstrationen, zu denen zahlreiche Hooligans und rechtsextreme Kampfsportler mobilisierten. Diese Ereignisse gelten als Schlüsselmomente für die Radikalisierung der AfD und die Entstehung von gewalttätigen Gruppierungen wie „Revolution Chemnitz“. Prof. Matthias Quent bezeichnete Chemnitz als Inkubator für rechtsterroristische Mobilisierungen, was die Dichte von rechtsextrem motivierten Gewalttaten in der Region verdeutlicht.
Erst im ersten Halbjahr 2023 gab es 74 rechtsmotivierte Straftaten gegen Asylunterkünfte sowie 600 Straftaten gegen Geflüchtete und Asylsuchende. Die Gesellschaft befindet sich in einem gefährlichen Ausnahmezustand, in dem ein Teil der Bevölkerung solche Übergriffe billigt und den Rechtsextremismus sogar gutheißt.
Ein globales Problem
Die Entwicklungen in Chemnitz stehen nicht isoliert, sondern sind Teil eines besorgniserregenden Trends in Deutschland, wo das Bundesamt für Verfassungsschutz rund 32.000 rechtsextrem gesinnte Personen zählt, davon etwa 13.000 als gewaltbereit angesehen. Die Anzahl der rechtsextrem motivierten Straftaten steigt, gekoppelt mit einer Zunahme der Gewaltbereitschaft gegenüber politischen Gegnern, insbesondere ehrenamtlichen Mandatsträgern.
Ein Beispiel für diese Gewalt ist der Mord an Walter Lübcke, einem Regierungspräsidenten, der 2019 von einem Rechtsextremen erschossen wurde. Der Täter, Stephan Ernst, radikalisierte sich ebenfalls, nachdem er an den Protesten in Chemnitz teilgenommen hatte. Dies verdeutlicht, wie eng das Geschehen in Chemnitz mit größeren gesellschaftlichen und politischen Entwicklungen verknüpft ist.
Mit über 1.000 Beamten, die aus verschiedenen Bundesländern zur Sicherheit des Eröffnungstags entsandt wurden, zeigt die Staatsgewalt, wie ernst die Lage eingeschätzt wird. Ein drohender Anruf gegen die Stadthalle, der zur regulären Öffnung nach einer Absuche führte, stellt ein weiterer alarmierender Aspekt dar.
Das Kulturhauptstadtprogramm in Chemnitz findet somit statt vor dem Hintergrund eines anhaltenden Kampfes gegen Rechtsextremismus, der nicht nur die Stadt, sondern das gesamte Land in seinen Bann zieht. Es bleibt abzuwarten, inwiefern sich die Gesellschaft von diesen Spannungen lösen kann.