Taleb A., ein 50-jähriger Psychiater aus Saudi-Arabien, verübte kurz vor Weihnachten 2024 ein verheerendes Attentat auf dem Weihnachtsmarkt in Magdeburg. Dabei tötete er sechs Menschen und verletzte 292 weitere. Über den Täter liegt eine besorgniserregende Vorgeschichte: Sicherheitsbehörden hatten bereits 110 Kontakte mit ihm, was deutlich mehr ist als ursprünglich bekannt. Die Ermittlungen zeigten, dass Behörden in sechs Bundesländern, darunter Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern und Nordrhein-Westfalen, an dem Fall beteiligt waren. Darüber hinaus waren das Bundeskriminalamt (BKA), der Bundesnachrichtendienst (BND) und das Bundesamt für Verfassungsschutz in die Angelegenheiten involviert.
Gegen Taleb A. liefen insgesamt 14 Ermittlungsverfahren. Doch viele Informationen blieben aufgrund datenschutzrechtlicher Hürden unverbunden, was dazu führte, dass der Täter von den Sicherheitsbehörden nicht ernst genommen wurde. Dies führt zu einer wachsenden Forderung nach einer Reform des Datenschutzes, um einen effizienteren Datenaustausch in solchen Fällen zu ermöglichen. SPD-Innenpolitiker Lars Castellucci und sein Unionskollege Alexander Throm forderten in diesem Zusammenhang prägnante Änderungen, um ähnliche Vorfälle in Zukunft zu verhindern.
Kritik an der Sicherheitslage
Nach dem Attentat stehen die Versäumnisse der Sicherheitsbehörden im Fokus. Die Unklarheit über die Motive des Täters ist besonders besorgniserregend. Während Taleb A. wiederholt Hass gegen deutsche Politiker äußerte, fehlten Hinweise auf ein islamistisches Motiv. Kritiker machen darauf aufmerksam, dass zumindest einige seiner Äußerungen und sein Verhalten auf eine psychische Erkrankung hinweisen. Die mangelhafte Absicherung des Weihnachtsmarktes und die falsche Positionierung eines Polizeifahrzeugs wurden ebenfalls kritisiert. Mehrere Strafanzeigen gegen Verantwortliche von Stadt, Polizei und Betreibergesellschaft verdeutlichen die Problematik.
In Sachsen-Anhalt könnte theoretisch eine Ausweisung von Taleb A. möglich gewesen sein, doch er wurde 2014 wegen Androhung von Terror verurteilt und erhielt 2016 den Status eines Flüchtlings, trotz seiner Vorstrafe. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) erkannte A. als Flüchtling an, angeblich aufgrund drohender politischer Verfolgung in seinem Heimatland Saudi-Arabien, was eine Ausweisung aufgrund innerstaatlicher Straftaten ausschloss. Sicherheitsbehörden stuften frühere Vorfälle und Drohungen von Taleb A. nicht als gefährlich ein.
Die Forderungen der Opferfamilien
Astrid Passin, Sprecherin der Hinterbliebenen des Breitscheidplatz-Attentats, erhebt eindringlich die Forderung, den Magdeburger Anschlag als Terroranschlag zu klassifizieren. Diese Einstufung wäre aus ihrer Sicht notwendig, um die Bedeutung und Schwere der Taten anzuerkennen und um die Opfer angemessen zu behandeln. Bundesjustizminister Volker Wissing unterstützte diese Forderung und kündigte an, dass die Opfer von Magdeburg wie Terroropfer behandelt werden sollen. Passin zieht Parallelen zu Anis Amri, dem Attentäter vom Breitscheidplatz, und stellt fest, dass auch gegen Amri viele Hinweise vorlagen, die nicht zu einer Verhaftung führten. Der Unterschied zwischen den beiden Tätern beziehe sich jedoch auf ihre ideologischen Hintergründe: Taleb A. wird als rechtsextremistisch orientiert beschrieben, während Amri islamistisch war.
In der Diskussion um die Reaktion der Behörden spielt das Thema der effektiven Terrorismusprävention eine zentrale Rolle. Forschungsprojekte wie das Künstliche Intelligenz-Projekt zur Früherkennung von Straftaten, das mit fast drei Millionen Euro gefördert wird, haben gezeigt, dass eine frühzeitige Identifizierung von Gefahrenpotentialen in der Gesellschaft unerlässlich ist. In diesem Rahmen wird auch die Wirksamkeit von präventiven Maßnahmen, wie Gefährderansprachen, zunehmend infrage gestellt, da deren Effizienz in der Terrorismusprävention nicht eindeutig nachgewiesen werden kann.
Die Debatte über die Sicherheitslage und den Umgang mit potenziellen Gefährdern ist damit aktueller denn je. Eine reformierte Herangehensweise an den Datenschutz und das Sicherheitsmanagement könnte in Zukunft entscheidend sein, um weitere Tragödien zu verhindern.