Olaf Scholz hat einen Bürgerdialog in Chemnitz gehalten, um den Wahlkampf der sächsischen SPD einzuleiten. In einem ehemaligen Kino- und Theatersaal sprach er vor etwa 300 Gästen, die seine Zustimmung erarbeiten wollten. Während der anderthalbstündigen Veranstaltung, die in diesem Jahr in der Kulturhauptstadt Europas stattfand, widmete Scholz sich vor allem dem Thema Krieg und Frieden. Besonders eindringlich diskutierte er die kontroverse Entscheidung über die Lieferung von Mittelstreckenraketen an die Ukraine, die er ablehnte, um eine Beteiligung an dem Konflikt mit Russland zu vermeiden. Nach zehn Minuten gab es den ersten Applaus vonseiten des Publikums, was die anfangs leise Stimmung auflockerte.
Die SPD hat zurzeit mit schlechten Wahlergebnissen zu kämpfen. In Sachsen erzielte die Partei nur 7,3% und in Thüringen gar nur 6,1%, die schlechtesten Werte seit 1990. Scholz sieht den Aufstieg der AfD in Ostdeutschland als ernsthafte Herausforderung und führt diesen unter anderem auf die wachsende Unsicherheit, die Themen irreguläre Migration und den Ukraine-Krieg zurück. Um dem entgegenzuwirken, betont der Kanzler die Wichtigkeit, den Bürgerinnen und Bürgern zu zeigen, dass die Regierung in der Lage ist, diese Herausforderungen zu meistern. Außerdem spricht er sich für eine Reform der Schuldenbremse und die Unterstützung für ein kostenloses Mittagessen für Schulkinder durch den Bund aus.
Herausforderungen für die SPD
Im Rahmen des Bürgerdialogs thematisierte Scholz auch die Probleme, mit denen die mittelständische Wirtschaft konfrontiert ist, wie den Fachkräftemangel und bürokratische Hürden. Die Ampelparteien – SPD, Grüne und FDP – haben bei den jüngsten Wahlen zusammen weniger als 10% der Stimmen erzielt, was Scholz als Debakel bezeichnet. Einzelne Fragen zum Zustand der Koalition beantwortete er mit einer gewissen Ratlosigkeit und gab zu, dass der Fragesteller recht habe. Dennoch wies er die Behauptung zurück, ständig gegensätzlicher Meinung mit Finanzminister Christian Lindner (FDP) zu sein.
Ein weiterer Punkt in Scholz‘ Rede war der Umbau der Wirtschaft zur Reduzierung klimaschädlicher Gase. Das Interesse am Austausch mit dem Kanzler war spürbar; es wurden zahlreiche Fragen gestellt, was deutlich machte, dass die Bürger für den Dialog offen waren. Dies zeigt, dass Scholz, trotz der angespannten Lage, eine Verbindung zur Bevölkerung aufbauen möchte.
Die Rolle der AfD
Parallel zu den Herausforderungen, mit denen die SPD konfrontiert ist, hat die AfD eine bemerkenswerte Kommunikationsstrategie entwickelt, die ihr anhaltenden Erfolg beschert. Sie beschreibt sich als Stimme der Unzufriedenen und ist seit Sommer 2023 in Wahlumfragen die zweitstärkste Partei in Deutschland mit einem Anteil von 22 Prozent im ARD-Deutschlandtrend im Januar 2024. Experten führen den Erfolg der AfD auf ihre neuartige Propaganda und die Polarisierung des öffentlichen Diskurses zurück.
Ein zentrales Element dieser Strategie ist die Delegitimierung der etablierten Medien sowie der Aufbau eigener medialer Plattformen. Zudem hat die AfD eine emotionale Ansprache etabliert, die mit Ressentiments gegen den Westen und einer speziellen ostdeutschen Identität spielt. Ihre Kommunikationsweise schürt Verunsicherungen in der Bevölkerung und verwandelt diese häufig in eine Ablehnung gegenüber dem demokratischen System. Kalkulierte Provokation gehört ebenso zu ihrem Repertoire, um mediale Aufmerksamkeit zu gewinnen, was besonders junge Wähler anspricht.
Die SPD, unter der Führung von Olaf Scholz, steht somit vor der Herausforderung, in einem polarisierten politischen Klima und angesichts sinkender Beliebtheit in Ostdeutschland geeignete Antworten auf die Sorgen der Bevölkerung zu finden und der AfD entgegenzutreten.