Am 15. Januar 1990 besetzten Bürger aus Berlin-Lichtenberg die Zentrale der Staatssicherheit (Stasi). Dieses Datum markiert ein bedeutendes Ereignis in der Geschichte der deutschen Einheit, und Historiker Stefan Wolle beschreibt die Aktion als psychologisch bedeutsam und hilfreich für die Sicherung von 111 Regalkilometern Stasi-Akten. Die damalige Bevölkerung forderte lautstark „Stasi raus“ und „Macht das Tor auf“, was die Öffnung der Stasi-Zentrale zur Folge hatte. Ralf Drescher, ein Fotograf, war vor Ort und erlebte die turbulente Atmosphäre, die die Wendezeit prägte. Historiker Wolle spricht von einem „psychologischen Wechselbad“, da die Bürger Angst vor der Stasi hatten, während sie gleichzeitig aktiv die Kontrolle über die Akten forderten.
Mit der Öffnung der Zentrale begann ein Prozess, der als erste umfassende Aktenöffnung einer Geheimpolizei weltweit in die Geschichte einging. Nach dem Mauerfall am 9. November 1989 war die SED auf der Suche nach einer neuen Legitimation und nannte die Stasi in „Amt für Nationale Sicherheit“ um, während ihre Auflösung angekündigt wurde. Diese Entwicklungen führten zu einem massiven Druck von Oppositionellen, die vor der Vernichtung von Akten warnten und deren Erhalt forderten.
Erfolgsgeschichte der Akteneinsicht
Seitdem wurden über 7,5 Millionen Anträge zur Einsicht in Stasi-Unterlagen gestellt, wobei 2024 allein 28.571 neue Anträge hinzukamen. Michael Hollmann, Präsident des Bundesarchivs, bezeichnete die Einsichtnahme als eine Erfolgsgeschichte, die zur Aufklärung jüngerer Generationen beiträgt. Ein zentrales Ziel besteht darin, das Unrecht der SED-Diktatur und der DDR-Geheimpolizei im Gedächtnis zu halten. Archivgut muss sicher gelagert und von qualifiziertem Personal betreut werden, um Transparenz und Versöhnung zu fördern. Zudem hebt Hollmann hervor, dass Archive eine wichtige Rolle in der Demokratie spielen, indem sie Fakten gegen Fake News setzen.
Am 15. Januar 2025 wird auf dem Campus für Demokratie in Berlin-Lichtenberg an den Jahrestag erinnert. Geplant sind Ausstellungen, Führungen und eine Podiumsdiskussion, in Zusammenarbeit mit Institutionen wie dem Bundesarchiv – Stasi-Unterlagen-Archiv, der Robert-Havemann-Gesellschaft und dem Bürgerkomitee 15. Januar. Diese Events sollen dazu beitragen, das historische Gedächtnis wachzuhalten und zukünftige Generationen über die Vergehen der Stasi zu informieren.
Politische Herausforderungen und die Zukunft der Aufarbeitung
Die Aufarbeitung der Stasi-Vergangenheit ist bis heute ein wichtiges Thema. So plante der Bundestag bis zur Bundestagswahl 2017 eine Entscheidung zur Zukunft der Stasi-Unterlagen-Behörde. Experten empfahlen unter anderem die Überführung der Stasi-Akten ins Bundesarchiv und die Gründung einer „Stiftung Diktatur und Widerstand“ auf dem Areal des ehemaligen Stasi-Ministeriums. Diese Vorschläge wurden jedoch nicht angenommen. Dennoch hat der Bundestag mit einem Antrag von Unions- und SPD-Fraktionen die Fortführung der Aufarbeitung der SED-Diktatur beauftragt, um die Sichtbarkeit des Stasiunterlagenarchivs zu gewährleisten.
In den letzten Jahren gab es immer wieder Konflikte zwischen Ost- und Westdeutschland über die Aufarbeitung der Stasi-Vergangenheit. Historiker kritisieren den Vergleich zwischen Stasi und dem Verfassungsschutz als unangemessen, da der Verfassungsschutz unter gesetzliche Vorgaben und Kontrollen fällt, während die Stasi weitgehend ohne solche Beschränkungen agierte. Dies verdeutlicht, wie wichtig eine differenzierte Auseinandersetzung mit dieser Thematik für die Gesellschaft bleibt.