Der manövrierunfähige Öltanker „Eventin“ wird heute auf die Reede vor dem Stadthafen Sassnitz geschleppt. Laut Merkur wird die Ankunft des Schleppverbands für Sonntag erwartet. Der Tanker, der sich derzeit 20 Kilometer vor Rügen befindet, hat etwa 100.000 Tonnen Öl an Bord und weist einen Totalausfall von Systemen und Maschine auf. In der Nacht zu Freitag driftete der Tanker stundenlang führerlos in der Ostsee, bevor deutsche Einsatzkräfte am Freitagnachmittag erfolgreich mit einem Notfallschlepper eingreifen konnten. Zwei weitere Schlepper sind inzwischen dazu gestoßen, um die Transportmaßnahme zu unterstützen.
Ursprünglich war geplant, den Tanker aufgrund des kräftigen Nordwinds nordöstlich von Kap Arkona zu schleppen. Doch die Entscheidung wurde getroffen, die Reede von Sassnitz als sichereren Ankerplatz zu wählen. Der Tanker fährt unter panamaischer Flagge und gehört zur sogenannten russischen Schattenflotte. Diese Gruppe wird durch ältere, oft marode Tanker dargestellt, die einen zweifelhaften Versicherungsschutz haben und zur Zeit des Ukraine-Kriegs unter unklaren Eigentumsverhältnissen operieren. Beobachtungen von NDR berichten von einer Wellenhöhe von 2,5 Metern und stürmischen conditions, die den Tanker in Richtung Süden drückten.
Sicherheitsmaßnahmen und Umweltbedenken
Um die Sicherheit der Operation zu gewährleisten, hat das Havariekommando ein Expertenteam beauftragt, das für eine gleichmäßige Lastverteilung auf den Schleppern sorgt. Zudem mussten vier Seeleute mit einem Hubschrauber auf die „Eventin“ abgeseilt werden. Die aktuelle Schleppgeschwindigkeit liegt bei 1 bis 2 Knoten, und die voraussichtliche Dauer der Schleppaktion beträgt circa acht Stunden. Die Umweltministerin Till Backhaus äußerte Bedenken hinsichtlich der Schattenflotte und der möglichen Gefahren, die von den alternden Tankern ausgehen, insbesondere im Hinblick auf den Schutz der Ostsee.
Greenpeace hebt hervor, dass die „Eventin“ auf ihrer Liste als gefährlicher Tanker geführt wird, und warnte vor Risiken wie unzureichender Wartung sowie schlecht ausgebildeter Besatzungen. Die Organisation schätzt, dass die Schattenflotte etwa 591 Tanker umfasst, die regelmäßig die deutsche Küste passieren. Diese Tanker transportieren russisches Öl, das zunehmend in neue Märkte, wie China und Indien, exportiert wird, während die Nutzung europäischer Häfen seit Ende 2022 durch das EU-Embargo stark eingeschränkt wurde.
Politische Reaktionen und langfristige Überlegungen
Neben Umweltbedenken warnte auch Bundesaußenministerin Annalena Baerbock vor den Gefahren, die von russischen Schiffen und ihrer Schattenflotte ausgehen. Laut einem Bericht von Deutschlandfunk haben die Fahrten von Öltankern aus Russland in der Ostsee seit Januar 2021 um 70 Prozent zugenommen. Anträge im Europäischen Parlament zur Verschärfung von Sanktionen und zur besseren Überwachung dieser Tankerflotte haben zugenommen, da der Druck auf Russland und seine Öl-exportierenden Aktivitäten angesichts der aktuellen geopolitischen Lage verstärkt wird.
Die letzte Havarie vor der Küste Mecklenburg-Vorpommerns ereignete sich im Oktober mit dem Tanker „Annika“, der nicht zur Schattenflotte gehörte. Die anhaltende Diskussion um die Schattenflotte zeigt, dass die Sorgen um die Umwelt und maritime Sicherheitsstandards trotz der bestehenden Sanktionen gegen Russland weiterhin hoch sind.