Plattenbauten aus der DDR-Zeit stehen oft im Schatten des Abrisses, doch ein innovatives Projekt in Aschersleben zeigt, dass eine nachhaltige Revitalisierung möglich ist. Mike Eley, Geschäftsführer der Ascherslebener Gebäude- und Wohnungsgesellschaft mbH (AGW), wendet sich im Jahr 2019 an ein Autarkie-Team, um den Leerstand von etwa 10 Prozent der sanierungsbedürftigen Plattenbauten zu reduzieren und ihre gute Bausubstanz zu nutzen. Eley möchte Abrisse und Neubauten vermeiden, da diese hohe Mengen an grauer Energie erzeugen würden. Stattdessen plant er die Umwandlung der Bestandsimmobilien in energieautarke Mehrfamilienhäuser, die sowohl ökologisch als auch für Mieter attraktiv sind. Bedenken hinsichtlich der Wirtschaftlichkeit und der Mietpreise in strukturschwachen Regionen machen die Herausforderung jedoch nicht einfach.

Im Rahmen des Projekts, das im März 2022 begann, wird ein Plattenbau-Block umfassend umgebaut. Dies beinhaltet die Entfernung von zwei Etagen und die Schaffung von 22 großzügigen, barrierefreien Wohnungen. Die neuen Wohnungen sollen durch innovative Technologien wie Photovoltaikmodule, die 184 Kilowatt Peak Solarstrom erzeugen, und Infrarotheizungen, die mit Solarstrom betrieben werden, höchste energetische Standards erreichen. Laut Focus soll über 60 Prozent des jährlichen Strombedarfs solar erzeugt werden, im Sommer sogar nahezu 100 Prozent. Die Energiekosten für Heizung, Warmwasser und Haushaltsstrom betragen nur etwa 50 Euro pro Monat und Wohneinheit.

Innovative Ansätze zur Energieautarkie

Zusätzlich erhöhen Warmwasserboiler in den Wohnungen den Autarkiegrad des Projektes um 5-10 Prozent. Ein Prototyp eines dezentralen Warmwasserboilers speichert selbst erzeugten Strom in Form von warmem Wasser und wird durch eine einfache Zeitschaltuhr gesteuert. Simulationen zeigen, dass in über 90 Prozent der Fälle der Überschussstrom ausreicht, was die Betriebskosten minimiert, während die Mieter gleichzeitig von niedrigeren Energiekosten profitieren. Das Geschäftsmodell umfasst eine Pauschalmiete von 11,50 Euro pro Quadratmeter, die alle Nebenkosten abdeckt, was die Mieterbewohnbarkeit sicherstellt.

Prof. Timo Leukefeld, ein Berater für Bauherren, hat bereits das erste bezahlbare energieautarke Haus Europas entwickelt. Er sieht in dem Projekt Chancen, den Widerstand traditioneller Akteure in der Branche zu überwinden. In den letzten Monaten haben einige Mieter, die zuvor eigene Autos hatten, diese verkauft und nutzen stattdessen die Gemeinschaftsfahrzeuge, die kostenlos an E-Ladesäulen aufgetankt werden können.

Revitalisierung als Schlüssel zur nachhaltigen Entwicklung

Das IÖR fordert in seinem Policy Paper ein Umdenken in der Raumentwicklung. Der Fokus auf Neubau hat erhebliche ökologische Folgen, einschließlich der Erhöhung von Treibhausgas- und Schadstoffemissionen. Die Revitalisierung bestehender Gebäude, wie sie in Aschersleben praktiziert wird, könnte eine Lösung für den Wohnraummangel in deutschen Großstädten sein, die oft mit hohen Mietpreisen und leerstehenden Wohnungen in ländlichen Gebieten konfrontiert sind.

Das Projekt in Aschersleben zeigt, dass eine energieautarke Umwandlung von Bestandsimmobilien mit hohem Nutzen für Mieter und Vermieter möglich ist, ohne auf erheblichen finanziellen Rückhalt zu setzen. Einhaltes der Klimaziele für 2050 wird bereits als erreichbar angesehen, und die AGW plant, bis 2025 weitere Plattenbauten nach diesem Modell umzubauen. Der Staatssekretär Sven Haller lobt die Initiative als vorbildlich und sieht großes Potenzial, 20 bis 25 Prozent der Bestandsimmobilien in Deutschland zu ähnlichen energieautarken Mehrfamilienhäusern zu sanieren.

Das Ascherslebener Projekt demonstriert auf eindrucksvolle Weise, dass alte Plattenbauten nicht nur erneuert werden können, sondern auch als nachhaltige Wohnlösungen der Zukunft dienen können. Es bleibt zu hoffen, dass mehr ähnliche Projekte in Deutschland umgesetzt werden und somit ein notwendiger Beitrag zur Verbesserung der Lebensbedingungen und zur Erreichung ökologischer Ziele geleistet wird.

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