Am 8. Januar 2025 erlebte Syrien einen markanten Wandel, nur einen Monat nach dem Sturz von Diktator Baschar al-Assad. Während die Bevölkerung in den Straßen von Damaskus feiert, ist die Stimmung gleichzeitig von Sorgen geprägt. Die Menschen haben Hoffnung auf Frieden, kämpfen jedoch auch mit der Realität einer stark zerstörten Infrastruktur und einer am Boden liegenden Wirtschaft. Die Miliz Hay’at Tahrir al-Scham (HTS), die seit dem 8. Dezember die Kontrolle über das Land hat, steht im Mittelpunkt des Geschehens. HTS-Anführer Ahmad al-Scharaa, der auch unter dem Kampfnamen Mohammed al-Dscholani bekannt ist, spricht von der Notwendigkeit, die staatlichen Strukturen neu aufzubauen und dabei alle Minderheiten einzubeziehen. Die Entwicklungen deuten darauf hin, dass HTS eine Schlüsselrolle in der neuen syrischen Ordnung spielen wird.

In den vergangenen Wochen fanden Gespräche zwischen dem UN-Sondergesandten Geir Pedersen und al-Scharaa in Damaskus statt. Die Themen der Diskussion umfassten den Wiederaufbau des Landes, die Auswirkungen von Sanktionen und die Rückkehr von Flüchtlingen. Pedersen forderte eine Anpassung der UN-Sicherheitsratsresolution 2254, die zur Ausarbeitung einer neuen Verfassung und zur Durchführung von Wahlen aufruft. Eine der größten Herausforderungen bleibt dabei, eine langfristige politische Lösung zu finden, die alle Syrer einbezieht. Gleichzeitig gibt es Forderungen nach humanitärer Hilfe für die Bevölkerung.

Herausforderungen für den Wiederaufbau

Die Lage für die syrische Bevölkerung ist angespannt. Nach fast 14 Jahren Krieg kämpfen viele Menschen ums Überleben, während Armut und Arbeitslosigkeit vorherrschende Probleme darstellen. Schätzungen zufolge benötigt das Land zwischen 250 und 1 Billion US-Dollar für den Wiederaufbau. Diese finanziellen Hürden stehen einem stabilen Zukunftsbild im Wege. Die syrische Währung hat einen offiziellen Wechselkurs von 515 Pfund pro Dollar, und die Arbeitslosenquote war 2019 bereits auf 43,5% gestiegen. Zudem leben etwa 3,6 Millionen Syrer als Flüchtlinge in der Türkei sowie zahlreiche andere in Libanon, Jordanien, Irak und Ägypten.

Die HTS plant, innerhalb von vier Jahren Wahlen zu ermöglichen und eine neue Verfassung einzuführen. Dennoch gibt es Bedenken, dass eine autoritäre Herrschaft entstehen könnte. Zwar gibt es moderate Diskurse in den von HTS kontrollierten Gebieten, jedoch fehlen klare Debatten über den politischen Prozess. Die Perspektiven für eine Zivilgesellschaft in Syrien sind begrenzt, obwohl einige Freiräume für NGOs und Frauengruppen bestehen.

Internationale Aufmerksamkeit und Kritik

Al-Scharaa hat in den letzten Wochen auch Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate besucht, um Unterstützung für den politischen Prozess und den Wiederaufbau zu suchen. Gleichzeitig wird von der deutschen Regierung eine deutlichere Kritik am Vorgehen der Türkei und Israels gefordert, insbesondere im Hinblick auf Menschenrechtsverletzungen, die unter der Herrschaft Assads dokumentiert wurden. Der UN-Sicherheitsrat hat Resolution 2254 verabschiedet, die ein Ende der Gewalt und die Förderung von Rechtsstaatlichkeit fordert. Eine wichtige Bedingung für den Wiederaufbau ist außerdem die Aufarbeitung der Verbrechen des Assad-Regimes, um eine grundlegende Versöhnung zu ermöglichen.

In diesem Kontext bleibt die Rolle der syrischen Diaspora ebenfalls entscheidend für die politische Zukunft des Landes. Die Aufarbeitung der Verbrechen gestaltet sich als schwierig, da viele Assad-Anhänger das Land verlassen oder untergetaucht sind. Um einen neuen Zyklus der Gewalt zu verhindern, müssen rechtsstaatliche Prinzipien gewahrt bleiben.