In Saginaw, Michigan, das einstige Zentrum der Automobilindustrie, spiegelt sich die tiefgreifende politische Spaltung der USA wider. Rachel Oviedo, eine 57-jährige Einwohnerin, sitzt auf ihrer Veranda und blickt auf die Ruine einer stillgelegten Fabrik, die einst Teile für Chevrolets und Buicks herstellte. Diese Fabrik schloss 2014 ihre Tore, und die Auswirkungen des wirtschaftlichen Niedergangs sind in der Komplexität und Trauer dieser Stadt offensichtlich.
„Hier sitzen wir den ganzen Tag“, erzählt Oviedo und deutet auf die verlassene Möbelstücke auf der Straße. „Obdachlose kommen ständig vorbei. Sie sollten das hier abrreißen und etwas anderes machen, vielleicht einen Lebensmittelladen, denn wir haben hier keinen.“ Ihre Unentschlossenheit beim Wählen spiegelt sich in den Gedanken vieler Bürger wider, die zwischen Trump und Harris hin- und hergerissen sind. Während Trump als vertraute Größe betrachtet wird, bleibt Harris für viele noch ein Rätsel.
Der Einfluss der Vergangenheit auf die Gegenwart
Chuck Brenner, ein 49-jähriger, ehemaliger Polizist und aktueller Immobilienmakler, erinnert sich an bessere Zeiten, in denen der Arbeitsmarkt von der Automobilindustrie florierte. „Fast jeder Vater hier hat in der Autoindustrie gearbeitet“, sagt er. Die Zeiten haben sich jedoch radikal verändert; Jobs sind rar und viele kämpfen mit Armut und Drogenproblemen. Brenner, der 2016 für Trump, aber 2020 für Biden stimmte, beschreibt die Unsicherheiten, die mit den rechtlichen Problemen Trumps verbunden sind. „Da war viel Drama mit Trump“, sagt er. „Ich bin damit einfach fertig geworden.“
Trotz seiner Skepsis lässt sich Brenner beeinflussen: „Ich beobachte den ersten Auftritt der Debatte und lasse mir meine Meinung bilden.“ An solchen Wendepunkten hören die Menschen in Saginaw genau hin, da ihre Stimmen bedeutend werden können.
Jeremy Zehnder von einem Lkw-Polierbetrieb macht deutlich, dass nicht die Debattenleistungen zählen, sondern die Lebenshaltungskosten, die für ihn den Unterschied machen werden. „Jeder der Lkw-Fahrer, die wir kennen, neigt zur Rechten“, berichtet er. Dies zeigt die Marktdynamik im Kontext einer gewandelten politischen Landschaft auf eindrucksvolle Weise.
Gesellschaftliche Spaltungen zeigen sich in den Wahlen
Besonders bemerkenswert ist die Unterstützung für Trump unter ehemaligen Gewerkschaftsmitgliedern, die einst die Demokraten unterstützten. Joe Losier, ein Organisator der United Auto Workers (UAW), ist überrascht, dass viele seiner Verwandten und Freunde, die in der Autoindustrie arbeiten, sich heute auf die Seite Trumps schlagen. „Es macht mich sprachlos, dass viele meiner Familie, die Gewerkschaftler sind, zu den Republikanern gehören“, sagt Losier und vermittelt ein Gefühl der Verwirrung über diese politische Wende.
Trotz ihrer Erfolge zeigt der UAW eine abnehmende Fähigkeit, ihre Mitglieder zu vertreten, da diese zunehmend zu einer harten Linie tendieren, die für Trumps Versprechen, hohe Zölle auf Importe zu erheben, offen ist. Harris‘ Argument, dass solche Maßnahmen die Preise in die Höhe treiben würden, wird hier oft nicht nachvollzogen.
Zu den Wahlen steht Saginaw nun vor einer Entscheidung, und die Bürger stehen vor der Herausforderung, die tiefen gesellschaftlichen Gräben und Missverständnisse zu überbrücken, die die politische Diskussion prägen. Die Gespräche, die man auf den Straßen führt, sind oft geprägt von Anfeindungen und Missverständnissen – ein Beweis dafür, wie emotionale und intensive die politische Situation in der Gemeinde ist.
Die bevorstehenden Wahlen werfen ihre Schatten voraus. Viele Menschen aus Saginaw werden nicht nur ihre Stimme für die Zukunft des Landes abgeben, sondern auch für die eigenen Hoffnungen, die von der Erinnerung an bessere Zeiten geprägt sind. Inmitten des politischen Einsatzes ist es vor allem das Bedürfnis nach Wandel, das in den Gesprächen der Menschen in dieser Stadt spürbar ist. Saginaw ist nicht nur ein Ort des Widerstands; es ist ein Mikrokosmos für die Herausforderungen, vor denen die gesamte Nation steht.