Kassel

Gabriela Katz: Junge Kuratorin mit Herz für jüdisches Erbe in Kassel

Die 23-jährige Gabriela Katz hat im Sara-Nussbaum-Zentrum in Kassel eine bewegende Ausstellung über Holocaust-Schicksale kuratiert, um das Leben jüdischer Menschen vor dem Krieg zu zeigen und somit das Bewusstsein für deren Geschichten zu schärfen.

Kassel – Im Sara-Nussbaum-Zentrum in Kassel hat eine bewegende Ausstellung ihre Türen geöffnet, die tief in die schmerzvollen Geschichten des Holocaust eintaucht. Die 23-jährige Gabriela Katz, die für diese Ausstellung verantwortlich zeichnet, ist nicht nur Kuratorin, sondern auch eine junge Frau mit jüdischen Wurzeln, deren eigene Familiengeschichte eng mit den Themen der Ausstellung verknüpft ist. Unter dem Titel „displaced at home“ werden bewegende Bilder von Kasseler Juden präsentiert, die den Holocaust nicht überlebt haben. Diese Bilder erzählen nicht nur von Verlust, sondern auch von einem Leben, das die Betroffenen vor dem Krieg führten.

Die Ausstellung wurde in Zusammenarbeit mit dem Museum Yad Vashem in Israel erstellt, das die Fotos zur Verfügung stellte. „Es war extrem persönlich für mich, die Ausstellung zu machen“, sagt Gabriela, während sie auf eine eindrucksvolle Collage zeigt, die im ersten Raum der Ausstellung ausgestellt ist. „Ich möchte zeigen, dass die Menschen auch vor dem Krieg ein Leben hatten und nicht nur Opfer waren“, ergänzt sie. Diese Perspektive, dass das Leben junger Menschen vor dem Krieg nicht oft ausreichend thematisiert wird, ist Gabriela besonders wichtig, da viele ihrer Altersgenossen nur oberflächliche Informationen über die Weltkriege im Schulunterricht erhalten.

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Einblicke in persönliche Tragödien

Die Ausstellungsinhalte sind nicht nur akademischer Natur; sie sind stark von Gabriela Katz‘ eigenen Erfahrungen geprägt. Ihre Großtanten Paula und Polina haben tragisch in den Wirren des Zweiten Weltkriegs ihr Leben verloren. Polina, die als Halbwaise aufwuchs, wurde während der Besetzung Lettlands durch die Deutschen vor den Augen ihrer Großeltern in eine Synagoge gesperrt und dort verbrannt. Ihre Geschichte ist neben anderen, wie der von Paula, die in Riga als Leichtathletin bekannt war und während einer Erschießungsaktion ums Leben kam, ein zentrales Element der Ausstellung und trägt zur emotionalen Tiefe des Besucherlebnisses bei.

Die Verknüpfung von Gabriela Katz‘ persönlicher Geschichte mit den dargestellten Schicksalen der Ausgestellten schafft eine einzigartige Verbindung. „Ich bin mit diesen Geschichten aufgewachsen“, reflektiert Gabriela. Eine der wichtigsten Absichten hinter der Ausstellung sei es, die Besucher zu sensibilisieren und ihnen die Schicksale hinter den Namen näherzubringen. „Nur aus Bildern kann man keine Emotionen schöpfen“, ist sie sich sicher, und genau das möchte sie mit ihrer Arbeit erreichen.

Die Herausforderungen einer Kuratorin

Die ausgestellten Geschichten und Bilder sind das Ergebnis von intensiver Recherche und hartnäckiger Arbeit. Gabriela Katz erinnert sich, wie schwer es war, die Bildrechte zu klären und die notwendigen Informationen zusammenzutragen. „Ich habe mir ein Netzwerk von Historikern, Museen und Zeitzeugen aufgebaut“, erklärt sie. Über fünf Monate hinweg hat sie an der Ausstellung gearbeitet, aus dem Nichts eine vollständige Konzeption erarbeitet und alle Details, von Bildern bis zu den Texten, selbst recherchiert.

Eine der bewegendsten Erfahrungen war der Besuch von Michael Jacobson, dem Großneffen von Werner Holländer, der als Jude geboren und im Kindesalter zum Protestantismus konvertiert worden war. Holländer wurde während des Holocaust hingerichtet. „Als er die Fotos seines Großonkels sah, hat er geweint“, erzählt Gabriela. Solche Momente zeigen die Macht der Erinnerung und das Engagement, das in die Ausstellung geflossen ist.

Am Gedenkort innerhalb der Ausstellung sind 995 Kerzen aufgestellt, die den Namen jüdischer Kasseler repräsentieren, die im Holocaust ermordet wurden. Jedes Licht steht für ein humanes Schicksal, und Besucher werden eingeladen, eine Kerze zum Gedenken anzuzünden. Solch eine respektvolle Gedenkform dürfte Erinnerungen an die tiefen Wunden der Vergangenheit wecken, das Bewusstsein für die Notwendigkeit des Erinnerns vorantreiben und eine Brücke zur Gegenwart schlagen.

Gabriela Katz ist sich der gesellschaftlichen Spannungen bewusst, die der Nahostkonflikt in Deutschland auslöst. Als Tochter einer jüdischen Gemeinde und selbst Teil des interkulturellen Dialogs betrachtet sie es als ihre Verantwortung, sich mit den Herausforderungen und Missverständnissen auseinanderzusetzen, die in Zeiten wie diesen zutage treten.

Ein dauerhafter Eindruck

Die Ausstellung, die im Juni zu sehen war, regt zum Nachdenken an und bietet gleichzeitig einen emotionalen Zugang zum Thema Holocaust. Gabriela Katz‘ Initiative und Leidenschaft sind die Motoren dieser bedeutenden Arbeit, die das Gedenken an die Vergangenheit hochhält. Ihre beständige Entschlossenheit, solche Geschichten sichtbar zu machen und zu bewahren, ist ein klarer Ausdruck des unermüdlichen Strebens, die Erinnerung an die Vergangenen zu ehren und ihre Lebensgeschichten lebendig zu halten.

Die Bedeutung des Sara-Nussbaum-Zentrums

Das Sara-Nussbaum-Zentrum in Kassel hat sich als wichtiger Ort für jüdisches Leben und Gedenken etabliert. Es wurde 2017 eröffnet und ist benannt nach Sara Nussbaum, einer überlebenden jüdischen Kasselerin, die Zeitzeugenberichte gesammelt hat. Das Zentrum bietet nicht nur Ausstellungen wie die aktuelle von Gabriela Katz, sondern auch Workshops, Vorträge und kulturelle Veranstaltungen, um das Verständnis für die jüdische Geschichte und Kultur zu fördern.

Der interaktive Ansatz des Zentrums ermöglicht es Besuchern, sich aktiv mit der Geschichte auseinanderzusetzen. Es dient auch als Begegnungsstätte für Menschen unterschiedlichen Hintergrunds, was zur Schaffung eines offenen Dialogs beiträgt und das Bewusstsein für Diskriminierung und Vorurteile schärft.

Gesellschaftliche Relevanz und Bildung

Gerade in Zeiten gesellschaftlicher Spannungen, wie sie durch den Nahostkonflikt verstärkt werden, spielt Bildungsarbeit eine essentielle Rolle. Im Gespräch mit Jasmin Sindelar von der Lichtenberg-Schule und Elena Padva vom Sara-Nussbaum-Zentrum wird deutlich, dass Schulen zunehmend mit antisemitischen Vorfällen konfrontiert sind. Die beiden Pädagoginnen betonen die Bedeutung von Aufklärung und Sensibilisierung, um Vorurteile abzubauen und ein respektvolles Miteinander zu fördern.

Das Sara-Nussbaum-Zentrum bietet Schulen spezielle Programme an, die nicht nur geschichtliche Informationen bereitstellen, sondern auch emotionale und ethische Aspekte beleuchten. Diese Programme können auch helfen, ein Bewusstsein für die eigenen Vorurteile zu entwickeln und eine empathische Haltung gegenüber den Opfern des Holocausts und ihrer Nachfahren zu fördern.

Die aktuelle Situation und ihre Auswirkungen

Die derzeitige Situation im Nahen Osten hat tiefgreifende Auswirkungen auf die jüdische Gemeinschaft in Deutschland. Antisemitische Äußerungen und Übergriffe haben zugenommen, was viele jüdische Bürger beunruhigt. Dies zeigt sich auch in einer Studie der Antisemitismus-Studie 2023, die mehr als die Hälfte der befragten Juden in Deutschland angibt, sich aufgrund ihres Glaubens unsicher zu fühlen.

Die gesellschaftlichen Spannungen verlangen es, dass Einrichtungen wie das Sara-Nussbaum-Zentrum, weiterhin aktiv sind – nicht nur in der Geschichtsvermittlung, sondern auch in der Förderung von interkulturellem Austausch und Solidarität zwischen unterschiedlichen Gemeinschaften. In diesen herausfordernden Zeiten ist es wichtiger denn je, die Lehren der Geschichte zu befolgen und für ein tolerantes und respektvolles Miteinander einzutreten.

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